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Björn Höcke: Ein "Faschist" als Ministerpräsident?

13. Mai 2024

Die AfD will in 2024 erstmals einen Ministerpräsidenten stellen. In Thüringen könnte das Björn Höcke gelingen. Experten fürchten massive Folgen für die deutsche Demokratie.

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Björn Höcke am 18.4.2024 beim Prozessbeginn in Halle
Björn Höcke, Thüringens rechtsextremer AfD-Fraktionschef, will Ministerpräsident werdenBild: Fabrizio Bensch/Reuters/Pool/dpa/picture alliance

Björn Höcke und seine Partei, die Alternative für Deutschland, AfD, sind nicht erst seit dem Strafprozess gegen ihn umstritten. Der ehemalige Geschichtslehrer bezieht sich immer wieder auf die Zeit des Nationalsozialismus. Die Nationalsozialisten unter ihrem selbsternannten faschistischen "Führer" Adolf Hitler von 1933 bis 1945 ermordeten über sechs Millionen europäische Juden und verantworteten mit dem Zweiten Weltkrieg einen der folgenreichsten Kriege der Weltgeschichte.

Im Nachkriegsdeutschland gilt jegliche Form von ideologischer oder symbolischer Annährung an den Nationalsozialismus als politisch geächtet. Björn Höcke aber fordert ein Umdenken.

Im Jahr 2017 in einer Rede vor dem Parteinachwuchs Junge Alternative kritisiert er den Umgang der Deutschen mit der NS-Diktatur als "dämliche Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

Björn Höcke - AfD Fraktionsvorsitzender im Zentrum, umgeben von Männern, im Hintergrund Deutschlandfahnen
Gemeinsame Demonstration mit Rechtsextremisten und Neonazis: Björn Höcke am 1. September 2018 in Chemnitz, SachsenBild: Kai Horstmann/imago images

Sein eigener Parteivorstand war vor Jahren der Überzeugung, dass er unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" Texte veröffentlicht habe, die "eine übergroße Nähe zum Nationalsozialismus" aufweisen würden, so der Parteivorstand in einem Schreiben. Höcke bestritt zwar die Vorwürfe; er weigerte sich aber, eine entsprechende eidesstattliche Erklärung zu unterschreiben. Im Jahr 2017 hatte die AfD deswegen –erfolglos – den Parteiausschluss Höckes beantragt. Stattdessen hat sich die Partei mittlerweile in Höckes Richtung radikalisiert; seine Anhänger prägen inzwischen die Programmatik der Partei.

Höcke gilt als besonders radikaler Vertreter, der mit seinen Reden immer wieder für Skandale gesorgt hat. Vor allem in der Migrationspolitik ist er ein Hardliner, der auch Verschwörungsmythen nährt: dass zum Beispiel Deutschland der "Volkstod" bevorstünde, weil die regierenden Parteien das Land absichtlich mit Migranten besiedeln würden. Höcke fordert seit Jahren, dass Millionen Menschen Deutschland verlassen müssten.

Diese Idee hat eine besondere Brisanz bekommen, seit den Recherchen des Mediums "Correctiv", das im Januar Geheimpläne von AfD-Politikern und Rechtsextremisten zur Vertreibung von Migranten aus Deutschland bekannt machte. Immer mehr politische Beobachter, Holocaustüberlebende und Extremismusforscher warnen daher vor den Konsequenzen des Aufstiegs der rechten Partei.

AfD in Deutschland - sind das die neuen Nazis?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ruft zur Wachsamkeit auf. Und auch die Diskussion über ein Parteienverbot hat angesichts der Radikalisierung der AfD an Fahrt aufgenommen. Gleichzeitig greift die AfD nach Jahren in der politischen Opposition nach der politischen Macht.

2024 könnte die Alternative für Deutschland wichtige politische Erfolge erzielen, denn es stehen neben den Wahlen zum EU-Parlament zahlreiche Landtags- und Kommunalwahlen an. Meinungsumfragen sehen die in Teilen rechtsextreme Partei derzeit vor allem im Osten der Republik als stärkste politische Kraft.

Im kleinen Bundesland Thüringen will sie 2024 sogar den Ministerpräsidenten stellen. Und das ausgerechnet mit ihrem besonders radikalen Vertreter: Björn Höcke.

Das Amt hat weitreichende politische Macht: Der Ministerpräsident ist maßgeblich verantwortlich für die Bildungs- und Medienpolitik seines Landes. Er entscheidet auch über die konkrete Umsetzung der Asylpolitik des Bundes. Angesichts der Forderung der AfD nach einem radikalen Kurswechsel in der Asyl- und Einwanderungspolitik könnte das besonders folgenreich sein.

Höcke: "Kampf gegen rechts einstellen"

Auf einem AfD-Treffen im November 2023 kündigte Höcke weitreichende Maßnahmen an, sollte er in das Ministerpräsidentenamt gewählt werden: "Wir werden den Kampf gegen rechts einstellen!" versprach er unter dem Jubel seiner Anhänger. Auch gegen die öffentlich-rechtlichen Medien will Höcke vorgehen: "Was passiert denn, wenn der Höcke dann Ministerpräsident wird? Kündigt er denn die Medien-Staatsverträge? Ja, das macht der Höcke dann, ja", rief er ebenfalls unter dem Jubel der AfD-Mitglieder.

TikTok-Erfolg der AfD bereitet Sorgen

Wegen AfD-kritischer Berichte fordert die Partei seit Jahren eine Abschaffung oder Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Inspiriert vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump setzt die AfD auf sogenannte "Alternative Medien" und verbreitet ihre politischen Vorstellungen auf eigenen, reichweiten-starken Parteikanälen in den sozialen Medien.

Wie realistisch das Szenario von einem rechtsextremen Ministerpräsidenten ist, hat das renommierte Onlineportal "Verfassungsblog" im Dezember 2023 skizziert. Dreh und Angelpunkt ist demnach das eher unscheinbare politische Amt des Landtagspräsidenten. Es entfällt in Deutschland traditionell auf die bei Landtagswahlen erfolgreichste Partei.

"Immenser Schaden für die Demokratie"

Verfassungsblog warnt vor den Folgen: "Der Schaden, den eine autoritär populistische Partei mithilfe dieses Amtes für die Demokratie insgesamt anrichten könnte, ist immens." Denn der Landtagspräsident organisiert das Funktionieren der parlamentarischen Arbeit. Vor allem: In Thüringen hätte der Landtagspräsident die Möglichkeit, einen Politiker zum Ministerpräsidenten zu küren, auch wenn er im Parlament keine absolute Stimmenmehrheit bekommt. Dazu würde im dritten Wahlgang eine einfache Stimmenmehrheit reichen.

Verhindert werden könnte das wohl nur durch ein pikantes Bündnis: Konservative Christdemokraten und sozialistische Linke müssten sich auf einen gemeinsamen Gegenkandidaten verständigen. Aber beide Parteien sind in Deutschland - und insbesondere in Thüringen - erbitterte politische Gegner.

Schaden die Skandale um ausländische Einflussnahme der AfD?

Offen ist, ob die zahlreichen Skandale der AfD und von Björn Höcke selbst den Ambitionen beider nicht doch schaden. Denn das Image beider scheint angeschlagen. Denn die AfD sorgt im Jahr 2024 für viele negative Schlagzeilen. Nicht nur Björn Höcke mit seinem Strafprozess. Andere AfD Politiker stehen im Verdacht, illegale Geldzahlungen aus russischen Propagandatöpfen erhalten zu haben. Und der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, ist zusätzlich noch wegen seiner Chinafreundlichkeit in der Kritik. Im April wurde ein Mitarbeiter von ihm sogar wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftet.

Dieser Text wurde im Januar 2024 veröffentlicht und später überarbeitet und neu publiziert, um die aktuelle Nachrichtenlage abzubilden

Deutsche Welle Pfeifer Hans Portrait
Hans Pfeifer Autor und Reporter